Montag, 15. Dezember 2014

Erich Fromms Zen Interpretation

Erich Fromm und Daisetsu Teitaro Suzuki prägten die Vorstellung vom Zen-Buddhismus im Westen

Über den Zen-Buddhismus gibt es viele Deutungen und Interpretationen. Eines der bekanntesten Interpretationen im Westen ist die des Psychoanalytikers und Sozialphilosophen Erich Fromm. Bekannt wurde er Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit seinem Buch "Die Furcht vor der Freiheit" und in den fünfziger Jahren legte er einen erneuten Publikumsbestseller namens "Die Kunst des Liebens" auf. Im letzteren Buch analysiert er das Phänomen Liebe auf marxistisch materialistische Weise. Er holt die Liebe aus einem kitschigen Begriff heraus und stellt fest, dass die Liebe geübt werden muss wie eine Kunst oder eine Meisterschaft. Er kommt zum nüchternen Resultat, dass die Liebe in kapitalistischen Gesellschaften gar nicht oder zumindest sehr selten vorkommt. Dazu vielleicht einmal später mehr.
Vor allem die Ansichten D. T. Suzukis inspirierten Fromm zu seiner Sichtweise vom Zen-Buddhismus. D. T. Suzuki schrieb mehrere Bücher über Buddhismus und Zen, sein bekanntestes Buch mit dem bescheidenen Titel "Die große Befreiung". Dieses Buch ist eine nicht leicht lesbare Einführung in den Zen Buddhismus. Überhaupt sind Suzukis Bücher durch eine paradoxe Logik gekennzeichnet, die westliche Leser nur schwer erfassen können. Die Menschen im Westen sind es gewohnt linear zu denken und nicht paradox und auch nicht dialektisch. Paradoxe und dialektische Logik kommt vor allem aus der östlichen Hemisphäre, im Westen wurde sie vor allem von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und von Karl Marx exzessiv angewendet. Erich Fromm ist ebenso vom marxschen Denken stark geprägt. Paradoxes und dialektisches Denken legt, im Gegensatz zum linearen Denken, nicht so viel wert auf das Denken selbst, sondern vielmehr auf das praktische Tun. Keiner hat das besser formuliert als Karl Marx in seiner nicht so bekannten zweiten These über Feuerbach.

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, das heißt die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage." (Karl Marx im Frühjahr 1845)
[Marx: Thesen über Feuerbach, S. 10. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 830 (vgl. MEW Bd. 3, S. 533)]

Das praktische Tun ist für Marxisten und Buddhisten gleichermaßen wichtig, bei Marx gipfelt das bis zur berühmten 11. These über Feuerbach.

"Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern."
[Marx: Thesen über Feuerbach, S. 14. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 834 (vgl. MEW Bd. 3, S. 535)]


Westliche und östliche Logikkonzepte


Wie gesagt, östliches Denken kreist, westliches Denken ist linear und die Kombination von beidem ist die dialektische Logik, die nicht einem Kreis und keiner Linie ähnlich sieht, sondern spiralförmig ist.

Zurück zu Erich Fromm, er interpretiert den Zen-Buddhismus als praktizierender Psychoanalytiker und in seinem Buch "Psychoanalyse und Zen-Buddhismus" aus dem Jahr 1960, versucht er eine Brücke zu schlagen zwischen einer revidierten Freud Auffassung und dem Zenverständnis Suzukis. Weil ich kein Psychoanalytiker bin, konzentriere ich mich auf Fromms Verständnis von Zen. Dazu schreibt er:
"Das positive, ethische Ziel des Zen besteht darin", Fromm zitiert dazu Suzuki:"vollkommene Sicherheit und Furchtlosigkeit zu verwirklichen und von der Knechtschaft zur Freiheit zu gelangen. Das Zen ist eine Sache des Charakters und nicht des Verstandes, was bedeutet, dass das Zen aus dem Willen als dem ersten Lebensprinzip erwächst" ([D. T. Suzuki, 1934, S. 131] zitiert aus der Gesamtausgabe Erich Fromm (1960a, GA VI, S. 340).

Impressionen von der Person D. T. Suzukis von YouTube

Wenig später zitiert Fromm Suzuki mit folgenden Worten:
"Zen ist seinem Wesen nach die Kunst, in die Natur seines Seins zu blicken, und es zeigt den Weg von der Knechtschaft zur Freiheit [...] Wir können sagen, dass Zen alle Energien freisetzt, die in jedem von uns richtig und natürlich aufgespeichert, aber unter normalen Bedingungen verkrampft und entstellt sind, so dass sie keinen angemessenen Kanal zur Betätigung finden [...] Es ist deshalb das Ziel des Zen, uns davor zu bewahren, geisteskrank oder verkrüppelt zu werden. Das verstehe ich unter Freiheit, dass man allen schöpferischen und wohlwollenden Impulsen, die in unseren Herzen schlummern, freien Spielraum lässt. Im allgemeinen sind wir der Tatsache gegenüber blind, dass wir alle notwendigen Fähigkeiten besitzen, die uns glücklich und anderen gegenüber liebevoll machen" [D. T. Suzuki, 1956, S. 3]. Fromm schreibt daraufhin und kommentiert;
"Diese Beschreibung der Ziele des Zen könnte ohne Änderung als Beschreibung dessen verwendet werden, was die Psychoanalyse sich bemüht zu erreichen: Einsicht in die eigene Natur, Verwirklichung von Freiheit, Glück und Liebe, Freisetzung von Energie und Erlösung von geistigem und körperlichem Siechtum. Diese letzte Feststellung, dass wir vor der Alternative zwischen Erleuchtung oder Wahnsinn stehen, mag bestürzend wirken, wird jedoch meiner Ansicht nach durch beobachtbare Tatsachen bewiesen.
Während sich die Psychiatrie mit der Frage befasst, warum einige Menschen geisteskrank werden, lautet die eigentliche Frage, warum die meisten Menschen nicht geisteskrank werden. Wenn man die Stellung des Menschen in der Welt, seine Isoliertheit, seine Einsamkeit, seine Ohnmacht und sein Wissen darum bedenkt, sollte man annehmen, diese Last übersteigt seine Kräfte und er müsse ganz wörtlich unter der Belastung "zusammenbrechen". Die meisten vermeiden ein solches Resultat durch kompensierende Mechanismen wie übertönende Alltagsroutine, Übereinstimmung mit der Masse, Streben nach Macht, Prestige und Geld, Abhängigkeit von Idolen, die man mit andern religiösen Kulten teilt, ein aufopferndes, masochistisches Leben, narzistische Aufgeblasenheit - kurz, indem sie zum Krüppel werden. Alle diese Kompensationen können, wenn sie funktionieren, die geistige Gesundheit bis zu einem gewissen Grad sichern, aber die einzige grundlegende Lösung, die die potentielle Geisteskrankheit wirklich überwindet, ist das volle, produktive Ja zur Welt, dass in seiner höchsten Form Erleuchtung ist" (1960a, GA VI, S. 341/342).
Das sind im Grunde drastische Darstellungen über das Leben der Menschen. Fromm idealisiert auf der einen und verteufelt auf der anderen Seite. Doch im Anschluss relativiert er diese Darstellungen vom erlösten und dem verkrüppelten Menschen. Schon der Weg zum Satori (Erleuchtung) bringt den Menschen zu seinem eigentlichen Sein, auch ohne Satori zu erlangen. Das ist im Grunde wie mit der Gaußschen Glockenverteilung, am Anfang der Skala steht Jesus und am Ende steht Adolf Hitler. 85% der Menschen befinden sich jedoch im "gesunden" Durchschnitt zwischen Gut und Böse, Erleuchtung oder Verkrüppelung oder, auch nach Fromm, zwischen Haben oder Sein.
Dieser Blog beschäftigt sich mit ZEN und Marxismus und weniger mit Zen-Buddhismus, eine der vielen Varianten der buddhistischen Religion. Erich Fromm ist sehr stark von den Frühschriften von Karl Marx beeinflusst und er versucht buddhistische Ideen mit der marxschen Vorstellung zu verbinden. Das brachte ihn seitens der Frankfurter Schule, insbesondere von Herbert Marcuse, den Vorwurf ein, er sei quasi ein "Guru" für die aufbegehrende Jugend der 60er Jahre. Oder er ist der "Guru" der Liebe. In der Tat ist es so, dass die Bücher von Erich Fromm "Die Kunst des Liebens" und "Haben oder Sein" sehr gut vermarktet worden sind und diese zu Bestsellern in den 60er und 70er Jahren wurden. Leszek Kołakowski bezeichnete Erich Fromm als den Feuerbach des Marxismus, weil Fromm auf materialistische Weise und ohne Umschweife und ohne zu viel wissenschaftlichem Apparat und ohne vielen Fremdwörtern seine Sichtweise darzustellen wusste.

Der Blog Zen & Marxismus stellt beide Denkmodelle aus meiner (OekoCharley´s) Sicht vor. Zen ist für mich ein individueller Weg und Marxismus ein sozialer oder gesellschaftlicher Weg zur Befreiung. Mit Hilfe von Zen kann man sich von Gier und Hass befreien, der Marxismus liefert den Menschen theoretisches Rüstzeug für die Praxis, um sich von zu großer Fremdbestimmung und von der herrschenden Klasse und der Profitgier zu befreien. Beide Denkweisen oder Weltanschauungen durchdringen den Schein oder den Nebel der Unwahrheiten, der Halbwahrheiten, der Lügen und des Verdummens hin zu mehr wahren Erkenntnissen.

1 Kommentar: